Real-Life-Rennfahrer Niklas Koch: „Ohne SimRacing wäre ich nicht da, wo ich heute bin!“

Mit 20 Jahren ist Niklas Koch bereits ein erfolgreicher Rennfahrer – und das mit dem wohl angsteinflößendsten Mini GTR Turbo überhaupt. Aggressive Augen auf den Frontlichtern, spitze Zähne auf der Frontschürze – als Gegner sollte man besser nicht in den Rückspiegel schauen. Mit seinem eigenen Auto sowie Rennteam erfüllte sich der gebürtige Darmstädter einen Traum. Doch wie bei vielen zwang Corona auch Koch zum Umdenken. Statt echtem Auto hieß es erstmal Simulator. Mittlerweile fand er den Spagat zwischen echtem und virtuellem Motorsport – und das recht erfolgreich. Im Interview erzählt er uns über seinen Werdegang, warum  SimRacing seine Rennkarriere rettete, wie sich jenes weiter entwickeln wird und warum man trotz Rekordzeiten am Simulator nicht sofort ins echte Rennauto steigen sollte.

Niklas Koch im Interview über echtem Motorsport und SimRacing
Bild: ATX Media
Niklas, überspitzt formuliert: Während andere gerade das Laufen lernten, fuhrst du schon Rennen. Wie kam es dazu?

Eher zufällig. Durch einen Zeitungsbericht bekamen wir mit, dass es in einem Nachbarort ein Kettcar-Slalom-Turnier gibt. Da ich mich als Kind für alles begeisterte, was fährt und sich bewegt, fragten mich meine Eltern, ob ich mitmachen will. Selbstverständlich war ich sofort dabei – mit gerade einmal drei Jahren. Direkt im ersten Turnier lief es richtig gut. Das führte dazu, dass ich jedes Jahr teilnahm und mit Ausnahme eines Turniers immer gewinnen konnte. Rückblickend ein tolles Erlebnis, vor allem, als kleines Kind Pokale in der Hand zu halten. Irgendwann kam dann eine Bekannte und schlug vor, dass es auch Varianten mit Motor gibt, genauer gesagt Karts.

Wie reagierten deine Eltern darauf?

Meine Mutter war erstmal skeptisch, vor allem wegen der Kosten. Doch wider der anfänglichen Vorbehalte klappte es und ich durfte in ein Kart einsteigen. Auch hier lief es richtig gut und ich konnte mich direkt für die Deutsche Meisterschaft im Kart-Slalom qualifizieren. Danach nahm alles seinen Lauf, was auch bedeutete, dass es immer teurer wurde. Deshalb mussten wir uns schon früh mit dem Thema Sponsoren beschäftigen. Aber der Aufwand lohnte sich. Zum Beispiel durfte ich bei der Weltmeisterschaft der Kart-Rundstrecke in Le Mans teilnehmen. Das war ein riesen Event.

Das klingt nach einem ziemlichen Höhenflug. Wann kam der erste Knick?

Ziemlich direkt danach im Anschluss. Es ließ etwas nach, was vor allem an meinem Wachstum lag. Mittlerweile bin ich 1,95 Meter groß, weshalb ich auch mehr Gewicht habe. Im Kart spielt wenig Gewicht eine große Rolle. Also mussten wir schnell umdenken und mich sozusagen ins Auto befördern. Somit kam ich mit 16 Jahren zum Schirra Motoring Team, für das ich auch heute noch fahre, und drehte mit einem Mini GTR Turbo meine ersten Runden.

Hattest du Zeit, dich in die neue Serie einzugewöhnen?

Nein, ich musste ohne jegliches Training einsteigen. Wir trafen uns zum Kennenlernen und zwei Wochen später ging es schon los. Eigentlich hoffte ich auf das freie Training, um wenigstens etwas üben zu können, aber das fiel zu allem Überfluss noch aus. Dementsprechend fuhr ich meine ersten Rennkilometer im Qualifying. Total verrückt, auch das Auto unversichert zu lassen, was meine Eltern nie wieder machen würden. Aber es war gut so, denn durch meine Bestzeit konnte ich einen guten Eindruck hinterlassen. Zwei Jahre später gründeten wir dann mit Hilfe von zwei Sponsoren mein eigenes Rennteam samt eigenem Rennwagen.

Und weitere zwei Jahre später kam Corona und legte erstmal alles lahm…

… und stellte die Frage auf, wie man weiter trainieren sollte. Da kam der Simulator im wahrsten Sinne des Wortes ins Rennen. Schnell versuchten wir ein Konzept zu entwerfen, aber mein Vater war erstmal skeptisch. Allerdings wandelte sich nach einem von RaceRoom organisierten Event der Eindruck. Er sah, dass es sich nicht einfach nur um ein Spiel handelte – quasi „Mario-Kart-Gefahre“, sondern ein wirklicher Simulator, bei dem man Fahrpraxis für das echte Auto mitnehmen kann.

War das SimRacing für dich ein komplett neues, unbekanntes Terrain?

Nein, glücklicherweise nicht. Wenn ich nicht schon vorher Simulator gefahren wäre, hätte ich die vorhin angesprochenen ersten Rennkilometer niemals fahren können. Durch den Simulator kannte ich den Nürburgring auswendig. Dadurch wusste ich, wo ich schalten musste, ich kannte jeden Anlaufspunkt. Ich wusste quasi alles – ich musste es nur noch anwenden.

Mit anderen Worten: Der Simulator hat deine Karriere gerettet?

Ohne SimRacing wäre ich definitiv nicht da, wo ich heute bin. Aufgegeben hätte ich sicher nicht, aber Einstiege würden mir auf jeden Fall schwerer fallen.

Ist es dennoch eine große Umstellung vom Simulator ins echte Auto zu wechseln und umgekehrt?

Man merkt schon wie realistisch alles ist und, dass zum Beispiel bei iRacing Werkfahrende die Autos abgestimmt haben. Man merkt aber trotzdem, dass es irgendwo ein „Spiel“ ist. Auch Freunde, die bei mir am Simulator fahren, sagen, dass es prinzipiell zwar dasselbe ist – einlenken, bremsen, schalten – aber trotzdem fühlt es sich anders an. Ich würde niemals jemanden, der am Simulator schnell ist, nur deshalb in ein echtes Rennauto setzen.

Wieso nicht?

Ich sehe häufig, dass diese Leute zwar eine schnelle Rundenzeit erzielen, aber im Rennen selbst dann versagen. Es fehlt einfach die Fahrpraxis, vor allem bei bestimmten Gegebenheiten wie Regen. Regen gibt es meist nur bei Rennspielen, aber nicht bei Rennplattformen, wie iRacing. Bislang fehlt es da an der Möglichkeit, die Fahrphysik bei Regen auf die Plattform zu übertragen, weil es vor allem auf die Kleinigkeiten ankommt. Wie viel Regenmenge, der Belag, eine Bodenwelle, in der eine Pfütze ist, bei der das Wasser unterschiedlich absickern kann. Das ist nicht so einfach, das alles einzuarbeiten.

Während des ersten Lockdowns feierte SimRacing sozusagen die Auferstehung. Auch mit der Rückkehr auf den echten Asphalt schwindet das Interesse nicht. Welche Entwicklung kann das virtuelle Rennfahren deiner Meinung nach noch nehmen?

Den ersten Peek hatte SimRacing bis November, was man vor allem an der Materialverfügbarkeit sehen kann. Zwar ist die Kurve etwas abgeflacht, steigt aber trotzdem stetig weiter. Ich glaube auch, dass SimRacing eines Tages den normalen Motorsport ablöst und im TV virtuelle Rennen zu sehen sind. Das liegt vor allem daran, dass SimRacing für jedermann ist. Echter Motorsport ist dagegen extrem teuer und wird noch teurer. Schließlich kommt man nur mit High Tech wirklich voran und das können sich immer weniger Menschen leisten. Vor allem für Betreibende einer Kartbahn, die eh schon in der Krise stecken, werden das noch schwierigere Zeiten. Ich glaube auch, dass immer weniger Kinder und Jugendliche das Kartfahren als ersten Schritt nehmen, wenn die nächsten Generationen eher mit SimRacing aufwachsen.

Wirst du in Zukunft auch mehr auf SimRacing setzen oder bleibt die Priorität der echte Motorsport?

Wenn es irgendwie geht würde ich gern im echten Motorsport bleiben. Im Simulator fahren macht zwar sehr viel Spaß, ich kann fahren wann immer ich will und auch mit Freunden zusammen, aber es löst bei mir nicht dieselbe Emotionen aus, wie im Auto zu sitzen. Ich brauche das, wirklich im Auto zu sitzen, den Klang und den Geruch. Darüber hinaus komme ich im echten Auto besser zurecht als im Sim-Auto. Ich kann mich auch viel mehr mit der ganzen Technik identifizieren, wie alles aufgebaut ist und wie alles funktioniert.